Maibaum stehlen - oder wo
ist denn das Prachtstangerl geblieben?.
Im Bayrischen Voralpenland hat heute fast jedes
Dorf, auch das kleinste, seinen Maibaum.
Der Maibaum gilt daher weithin als ureigenster Vertreter bayrischen
Wesens.
Wie uns bekannt ist, stellt der Maibaum zum einen
ein Fruchtbarkeitsymbol dar, dessen Ursprünge in der Kelten-
und Germanenzeit liegen.
Ähnliches fanden auch die Verfasser der
Vaterstettener Maibaumseiten
heraus.
Detailierter hat sich Dr. Ottmar Schubert in
seinem Buch "Maibäume
Tradition und Brauchtum" mit diesem Thema beschäftigt.
Seine Nachforschungen ergaben dass das
erste schriftliche Zeugnis über einen Maibaum nicht etwa
aus Bayern ist, sondern ein Ratsprotokoll vom Jahre 1224 aus
der niederrheinischen Stadt Aachen.
Damals schon und die folgenden Jahrhunderte
war das Maibaum-Setzen mit Nebenbräuchen in vielerlei
Formen über ganz Mitteleuropa weit verbreitet und hat
sich, trotz immer wieder neuer behördlicher Verbote bis
in unserer Zeit erhalten.
Es erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders
in Bayern, eine ungeahnte Renaissance, so dass es dort kaum
ein Dorf gibt, in dem kein solches " Traditions-Stangerl
wie der Volksmund den Maibaum oft liebevoll betitelt, in den
weiß - blauen Himmel ragt.
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Über den Ursprung dieses Brauches ist man sich
bis heute nicht einig. Wahrscheinlich geht der grüne Baum auf
eine Baum- und Waldverehrung in germanischer Zeit zurück. Man
sieht in ihm eine Vergrößerung der Lebensrute, er ist
Sinnbild der Fruchtbarkeit und des Segens.
Nicht genau festlegen läßt sich auch,
wann der Maibaumbrauch bei uns heimisch geworden ist.
Aus dem 13. Jahrhundert gibt es erste Hinweise auf
grüne Zweige zum Maianfang.
Auf einem Bild des Malers Donauer, der 1585 das
Antiquarium der Münchner Residenz mit Ortsansichten ausmalte,
findet sich erstmals ein Figurenmaibaum mit grünem Wipfel und
Figuren. Es handelt sich dabei um eine Orstvedute von Starnberg.
Einen weiteren Bildbeleg eines Maibaums enthält im 18. Jahrhundert
eine Votivtafel der Wallfahrt Kleinhelfendorf. Das 1743 datierte
Bild zeigt einen Maibaum inmitten eines Dorfes. Aus der selben Zeit,
genau aus dem Jahre 1767, stammt ein Bild des bayerischen Hofmalers
Peter Jakob Horemans, auf dem neben der Kirche (wohl von Obermenzing
in München) auch ein Maibaum mit Figuren und Gipfelbuschen
aufragt.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelt sich der
Maibaum zu einem Symbol des neuen bayerischen Staatsbewusstseins,
denn die freien Gemeinden sehen in ihm geradezu ein Zeichen der
erlangten bürgerlichen Selbständigkeit innerhalb des von
Minister Montgelas geschaffenen Staatsgebildes.
Das wollen auch die Zeichen der Handwerker sowie
von Kirche und Rathaus ausdrücken.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Dr.
Ottmar Schubert:
"Das Aufstellen eines bis auf den Wipfelbuschen entästeten
und entrindeten, mit Kränzen und Bändern behangenen
Orts-Maibaums bürgerte sich seit dem 16. Jahrhundert ein.
Erst im 18. Jahrhundert bildeten sich die
besonders für Oberbayern typischen Form des bis zu 40
m hohen Maibaumes ein, der auf mehreren Querleisten ausgeschnittene
und bemalte Bildzeichen der Gewerbe oder seltener der wichtigen
Baulichkeiten eines Dorfes zeigt."
Unter Mai, Maien, Mayen usw. ist damals
allgemein ein belaubter Zweig zu verstehen, besonders wenn
er im Frühjahr sein frisches Grün zeigt. Natürlich
kommt sein Name vom Monat Mai. Er wurde aber auch noch zu
Pfingsten oder Fronleichnam und an Sonnwend als " Maien
" bezeichnet, wenn er zum Schmuck weltlicher und kirchlicher
Feste diente.
Erstaunlich ist wohl für manchen,
dass im 17. Jahrhundert hauptsächlich die Soldaten als
Träger der " Maien " in Betracht kamen.
"Der ältere Grundstock bäuerlichen
Brauchtums in festgelegten Formen lag in der privaten Sphäre
; Im Ritual um Geburt, Hochzeit, und Tod. Ebenso in den Alltagsgepflogenheiten
und Sorge um Haus, Hof, Feld und Vieh, in der Ordnung des
Wirtschaftslebens und in der Wahrung des nachbarlichen Zusammenhalts."
Schon Wilhelm Mannhardt weist in seinem
zweibändigen Werk " Wald- und Feldkulte " 1875
auf die weite Verbreitung des Maibaums hin : " Am ersten
Maitag, zu Pfingsten oder am Abend des 23. Juni findet in
deutschen, westslawischen, englischen, französischen
und anderen keltischen und romanischen Landschaften die Einholung
und Aufpflanzung der Maibäume statt. "
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Nach einer kurzen Phase des Missbrauchs im Dritten
Reich ist der Maibaum nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wesentlichen
Bestandteil vor allem des südbayerischen Brauchtums geworden.
Im Maibaum finden der Zusammenhalt und auch der
Wohlstand eines Dorfes seinen sichtbaren Ausdruck.
Hr. Andreas Faltermaier weisst in der Ausgabe
des Erdinger Anzeiger vom 16.4.2004 darauf hin, dass der Baum seit
der Französischen Revolution die Selbständigkeit und die
Unabhängigkeit einer Gemeinde oder eines Dorfes dokumentiert.
Mit Aufkommen und der Verbreitung des Ortsmaibaumes,
die man in Bayern auch als Folge des wachsenden politischen Selbstverständnisses
im jungen Königreich sehen kann, entstand der Wunsch dafür,
eine Zier zu schaffen, die längere Lebensdauer hat, als das
kurzlebige grün und daraus entwickelte sich wohl der Brauch,
den Maibaum mit Figuren zu schmücken.
Regional unterschiedlich wird er entweder nur
für die Dauer des Monats Mai aufgestellt oder er bleibt ein
Jahr und länger an seinem Ehrenplatz stehen.
Von Gegend zu Gegend hat der Baum ein anderes
Aussehen: Er wird sowohl mit der Rinde aufgestellt als auch, wie
vor allem in Oberbayern, geschält und weiß-blau gestrichen.
Vor dem errichten wird der Baum mit bunten Bändern behängt
und mit einem Kranz geschmückt.
Außer Wappen oder sonstige Embleme prangen
an vielen Maibäumen im unteren Bereich Tafeln mit der Jahreszahl
der Aufstellung oder einer Widmung und oft auch fromme und weniger
frommen Sprüchen
Viele Orte setzen ihren ganzen Stolz darein,
den Maibaum noch mit geschnitzten Figuren und Zunftzeichen der örtlichen
Handwerker zu verzieren.
Unten am Stamm wird meist ein Spruch angebracht,
der die Einigkeit des Ortes betont.
Gemeinschaftssinn ist ebenfalls eine wesentliche
Vorraussetzung, dass immer wieder ein Maibaum das Ortsbild verschönern
hilft.
So müssen schon viele Burschen und Männer
zusammenhelfen, wenn das Prachtstück ohne Beschädigung
- bei der Länge des Baumes keine Selbstverständlichkeit
- aus dem Wald geholt wird.
Ist er schließlich in vielen Freizeitstunden
hergerichtet und mit allen Attributen eine Maibaumes versehen, kommt
erst die Hauptarbeit: das Aufstellen.
Da werden nun alle verfügbaren Männnerhände
des Ortes gebraucht, denn nach alter Tradition wird der Baum mit
dicken langen Stangen (sogenannte Schwaiberl), die zu "Scheren"
zusammengebunden werden, aufgerichtet.
Auf ein kurzes Kommando eines erfahrenen "Regisseurs"
kommt das kostbare Stück allmählich in eine senkrechte
Lage, eine Arbeit, die sich über mehrere Stunden hinziehen
kann.
Überall dort, wo man noch besonders auf
die Einhaltung des alten Brauchtums achtet, ist es geradezu verpönt,
sich eines technischen Hilfsmittels, z. B. eines Flaschenzuges oder
gar Krans, zu bedienen.
So ist es nur verständlich, dass insbesonders
dieses Symbol der Fruchtbarkeit heiss begehrt ist und es andere
Gruppierungen auch besitzen wollen.
Das führte unweigerlich zum Brauch des "Maibaum
stehlens".
Nach alter Sitte darf der Baum, der schon mehrere
Wochen vor dem Aufstellungstag geschlagen werden muss "gestohlen"
werden. Als Diebe kommen die Burschen der umliegenden Nachbargemeinden
in Frage, die rechtzeitig "Späher" ausschicken. In
den letzten Jahren scheuten manche Diebe aber auch keine weiten
Anfahrtswege.
Wird ein Baum - trotz Bewachung - gestohlen, so sind zwischen den
Dieben und den Bestohlenen oft langwierige Rückgabeverhandlungen
erforderlich.
Als Auslöse wird gewöhnlich eine große
Menge Bier vereinbart, das dann bei der Übergabe gemeinsam
getrunken wird. Gewöhnlich kommt es dabei auch wieder zur Aussöhnung
der beiden Parteien, vorausgesetzt freilich, die Bestohlenen erklären
sich zur Zahlung der geforderten Biermenge bereit.
Wurde der Baum nicht zurückverlangt - was
eher selten vorkommt - konnten ihn die Diebe in ihrem Dorf als Schandbaum
aufstellen.
Vor allem unverziehrte Bäume bzw. Prachtstangerl
gelten als sehr gefährdet.
Deshalb werden Leute organisiert, die den Baum
Tag und Nacht bewachen sollen. In jüngerer Zeit ist dies keine
reine Männerangelegenheit mehr vielmehr beteiligen sich an
dieser ehrenvollen Aufgabe immer mehr Frauen jeglichen Alters.
Damit kein Wildwuchs entsteht, haben sich in
den vergangenen Jahrzehnten ungeschriebene Regeln und Brauchtümer
etabliert, welche die Diebe auch vor Strafverfolgung schützen
sollen.
Denn eines ist klar. Faktisch ist jeder Maibaumklau
es Diebstahl. Doch wo kein Kläger da auch kein Richter. Wenn
sich alle Sinngemäß an die nachfolgenden Regeln halten,
kann der geglückten Rückführung des Maibaums in seine
Heimatgemeinde nichts mehr im Wege stehen und alle Beteiligten werden
mit einem fröhlichen Fest belohnt.
Hr. Andreas Faltermaier hat in der Ausgabe des
Erdinger Anzeiger vom 16.4.2004 die ungeschriebenen Regeln zusammengefasst:
- Diebe, die noch innerhalb der Dorfgrenzen
beim Abtransport überrascht werden, müssen ihre Beute
zurückgeben.
- Vereine oder Gruppen aus dem eigenen Dorf
sind von dem Vergnügen des Maibaum stehlens ausgeschlossen
- Gewalt gegenüber Bewachern und Dieben
darf auf keinen Fall angewendet werden
- Wenn ein Bewacher bzw. Bewacherin die Hand
auf den Baum legt, ist dieser praktisch gegen Diebstahl gesichert.
- Der Baum darf weder zersägt noch anderweitig
beschädigt werden.
- Diebesgut ist immer nur der Baum nicht das
Zubehör wie Kränze, Tafeln Fahnen usw.
- Ein Baum darf erst gestohlen werden, wenn
er innerhalb des Dorfes aufbewahrt wird.
- Aufgestellte Bäume dürfen ab dem
1. Mai nicht mehr gestohlen werden
- Der Baum darf nur heimlich und unentdeckt
entwendet werden. Je raffinierter die List desto besser
- Nach dem gelungenen Diebstahl haben Verhandlungen
über die Ablöse stattzufinden.
- Nach Einigung hat der Baum unversehrt zurückgebracht
zu werden.
- Grundsätzlich gilt: Das Stehlen soll
so gehandhabt werden, dass weder Polizei noch Gerichte benötigt
werden.
Es wäre schön, wenn diese Brauchtum
nicht in vergessenheit geraten würde und sich immer genügend
Liebhaber finden um es Jahr für Jahr in den einzelnen Gemeinden
zu Leben. Denn so unverständlich dieser Brauch für viele
"Nicht-Bayern" ist, so sehr sorgt er doch für eine
gelebte Gemeinschaft sei es nun im Verein oder in einer Gemeinde.
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