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09.02.2006
 
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Dorfleben - Der Maibaum uns sein Brauchtum

 

Maibaum stehlen - oder wo ist denn das Prachtstangerl geblieben?.

Im Bayrischen Voralpenland hat heute fast jedes Dorf, auch das kleinste, seinen Maibaum.

Der Maibaum gilt daher weithin als ureigenster Vertreter bayrischen Wesens.

Wie uns bekannt ist, stellt der Maibaum zum einen ein Fruchtbarkeitsymbol dar, dessen Ursprünge in der Kelten- und Germanenzeit liegen.

Ähnliches fanden auch die Verfasser der Vaterstettener Maibaumseiten heraus.

Detailierter hat sich Dr. Ottmar Schubert in seinem Buch "Maibäume Tradition und Brauchtum" mit diesem Thema beschäftigt.

Seine Nachforschungen ergaben dass das erste schriftliche Zeugnis über einen Maibaum nicht etwa aus Bayern ist, sondern ein Ratsprotokoll vom Jahre 1224 aus der niederrheinischen Stadt Aachen.

Damals schon und die folgenden Jahrhunderte war das Maibaum-Setzen mit Nebenbräuchen in vielerlei Formen über ganz Mitteleuropa weit verbreitet und hat sich, trotz immer wieder neuer behördlicher Verbote bis in unserer Zeit erhalten.

Es erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders in Bayern, eine ungeahnte Renaissance, so dass es dort kaum ein Dorf gibt, in dem kein solches " Traditions-Stangerl wie der Volksmund den Maibaum oft liebevoll betitelt, in den weiß - blauen Himmel ragt.

Über den Ursprung dieses Brauches ist man sich bis heute nicht einig. Wahrscheinlich geht der grüne Baum auf eine Baum- und Waldverehrung in germanischer Zeit zurück. Man sieht in ihm eine Vergrößerung der Lebensrute, er ist Sinnbild der Fruchtbarkeit und des Segens.


Nicht genau festlegen läßt sich auch, wann der Maibaumbrauch bei uns heimisch geworden ist.

 

Aus dem 13. Jahrhundert gibt es erste Hinweise auf grüne Zweige zum Maianfang.

Auf einem Bild des Malers Donauer, der 1585 das Antiquarium der Münchner Residenz mit Ortsansichten ausmalte, findet sich erstmals ein Figurenmaibaum mit grünem Wipfel und Figuren. Es handelt sich dabei um eine Orstvedute von Starnberg. Einen weiteren Bildbeleg eines Maibaums enthält im 18. Jahrhundert eine Votivtafel der Wallfahrt Kleinhelfendorf. Das 1743 datierte Bild zeigt einen Maibaum inmitten eines Dorfes. Aus der selben Zeit, genau aus dem Jahre 1767, stammt ein Bild des bayerischen Hofmalers Peter Jakob Horemans, auf dem neben der Kirche (wohl von Obermenzing in München) auch ein Maibaum mit Figuren und Gipfelbuschen aufragt.

Im ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelt sich der Maibaum zu einem Symbol des neuen bayerischen Staatsbewusstseins, denn die freien Gemeinden sehen in ihm geradezu ein Zeichen der erlangten bürgerlichen Selbständigkeit innerhalb des von Minister Montgelas geschaffenen Staatsgebildes.

Das wollen auch die Zeichen der Handwerker sowie von Kirche und Rathaus ausdrücken.

 

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Dr. Ottmar Schubert:
"Das Aufstellen eines bis auf den Wipfelbuschen entästeten und entrindeten, mit Kränzen und Bändern behangenen Orts-Maibaums bürgerte sich seit dem 16. Jahrhundert ein.

Erst im 18. Jahrhundert bildeten sich die besonders für Oberbayern typischen Form des bis zu 40 m hohen Maibaumes ein, der auf mehreren Querleisten ausgeschnittene und bemalte Bildzeichen der Gewerbe oder seltener der wichtigen Baulichkeiten eines Dorfes zeigt."

Unter Mai, Maien, Mayen usw. ist damals allgemein ein belaubter Zweig zu verstehen, besonders wenn er im Frühjahr sein frisches Grün zeigt. Natürlich kommt sein Name vom Monat Mai. Er wurde aber auch noch zu Pfingsten oder Fronleichnam und an Sonnwend als " Maien " bezeichnet, wenn er zum Schmuck weltlicher und kirchlicher Feste diente.

Erstaunlich ist wohl für manchen, dass im 17. Jahrhundert hauptsächlich die Soldaten als Träger der " Maien " in Betracht kamen.

"Der ältere Grundstock bäuerlichen Brauchtums in festgelegten Formen lag in der privaten Sphäre ; Im Ritual um Geburt, Hochzeit, und Tod. Ebenso in den Alltagsgepflogenheiten und Sorge um Haus, Hof, Feld und Vieh, in der Ordnung des Wirtschaftslebens und in der Wahrung des nachbarlichen Zusammenhalts."

Schon Wilhelm Mannhardt weist in seinem zweibändigen Werk " Wald- und Feldkulte " 1875 auf die weite Verbreitung des Maibaums hin : " Am ersten Maitag, zu Pfingsten oder am Abend des 23. Juni findet in deutschen, westslawischen, englischen, französischen und anderen keltischen und romanischen Landschaften die Einholung und Aufpflanzung der Maibäume statt. "

Nach einer kurzen Phase des Missbrauchs im Dritten Reich ist der Maibaum nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wesentlichen Bestandteil vor allem des südbayerischen Brauchtums geworden.

Im Maibaum finden der Zusammenhalt und auch der Wohlstand eines Dorfes seinen sichtbaren Ausdruck.

Hr. Andreas Faltermaier weisst in der Ausgabe des Erdinger Anzeiger vom 16.4.2004 darauf hin, dass der Baum seit der Französischen Revolution die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit einer Gemeinde oder eines Dorfes dokumentiert.

Mit Aufkommen und der Verbreitung des Ortsmaibaumes, die man in Bayern auch als Folge des wachsenden politischen Selbstverständnisses im jungen Königreich sehen kann, entstand der Wunsch dafür, eine Zier zu schaffen, die längere Lebensdauer hat, als das kurzlebige grün und daraus entwickelte sich wohl der Brauch, den Maibaum mit Figuren zu schmücken.

 

Regional unterschiedlich wird er entweder nur für die Dauer des Monats Mai aufgestellt oder er bleibt ein Jahr und länger an seinem Ehrenplatz stehen.

Von Gegend zu Gegend hat der Baum ein anderes Aussehen: Er wird sowohl mit der Rinde aufgestellt als auch, wie vor allem in Oberbayern, geschält und weiß-blau gestrichen. Vor dem errichten wird der Baum mit bunten Bändern behängt und mit einem Kranz geschmückt.

Außer Wappen oder sonstige Embleme prangen an vielen Maibäumen im unteren Bereich Tafeln mit der Jahreszahl der Aufstellung oder einer Widmung und oft auch fromme und weniger frommen Sprüchen

Viele Orte setzen ihren ganzen Stolz darein, den Maibaum noch mit geschnitzten Figuren und Zunftzeichen der örtlichen Handwerker zu verzieren.

Unten am Stamm wird meist ein Spruch angebracht, der die Einigkeit des Ortes betont.

Gemeinschaftssinn ist ebenfalls eine wesentliche Vorraussetzung, dass immer wieder ein Maibaum das Ortsbild verschönern hilft.

So müssen schon viele Burschen und Männer zusammenhelfen, wenn das Prachtstück ohne Beschädigung - bei der Länge des Baumes keine Selbstverständlichkeit - aus dem Wald geholt wird.

Ist er schließlich in vielen Freizeitstunden hergerichtet und mit allen Attributen eine Maibaumes versehen, kommt erst die Hauptarbeit: das Aufstellen.

Da werden nun alle verfügbaren Männnerhände des Ortes gebraucht, denn nach alter Tradition wird der Baum mit dicken langen Stangen (sogenannte Schwaiberl), die zu "Scheren" zusammengebunden werden, aufgerichtet.

Auf ein kurzes Kommando eines erfahrenen "Regisseurs" kommt das kostbare Stück allmählich in eine senkrechte Lage, eine Arbeit, die sich über mehrere Stunden hinziehen kann.

Überall dort, wo man noch besonders auf die Einhaltung des alten Brauchtums achtet, ist es geradezu verpönt, sich eines technischen Hilfsmittels, z. B. eines Flaschenzuges oder gar Krans, zu bedienen.

So ist es nur verständlich, dass insbesonders dieses Symbol der Fruchtbarkeit heiss begehrt ist und es andere Gruppierungen auch besitzen wollen.

Das führte unweigerlich zum Brauch des "Maibaum stehlens".

Nach alter Sitte darf der Baum, der schon mehrere Wochen vor dem Aufstellungstag geschlagen werden muss "gestohlen" werden. Als Diebe kommen die Burschen der umliegenden Nachbargemeinden in Frage, die rechtzeitig "Späher" ausschicken. In den letzten Jahren scheuten manche Diebe aber auch keine weiten Anfahrtswege.
Wird ein Baum - trotz Bewachung - gestohlen, so sind zwischen den Dieben und den Bestohlenen oft langwierige Rückgabeverhandlungen erforderlich.

Als Auslöse wird gewöhnlich eine große Menge Bier vereinbart, das dann bei der Übergabe gemeinsam getrunken wird. Gewöhnlich kommt es dabei auch wieder zur Aussöhnung der beiden Parteien, vorausgesetzt freilich, die Bestohlenen erklären sich zur Zahlung der geforderten Biermenge bereit.

Wurde der Baum nicht zurückverlangt - was eher selten vorkommt - konnten ihn die Diebe in ihrem Dorf als Schandbaum aufstellen.

Vor allem unverziehrte Bäume bzw. Prachtstangerl gelten als sehr gefährdet.

Deshalb werden Leute organisiert, die den Baum Tag und Nacht bewachen sollen. In jüngerer Zeit ist dies keine reine Männerangelegenheit mehr vielmehr beteiligen sich an dieser ehrenvollen Aufgabe immer mehr Frauen jeglichen Alters.

Damit kein Wildwuchs entsteht, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten ungeschriebene Regeln und Brauchtümer etabliert, welche die Diebe auch vor Strafverfolgung schützen sollen.

Denn eines ist klar. Faktisch ist jeder Maibaumklau es Diebstahl. Doch wo kein Kläger da auch kein Richter. Wenn sich alle Sinngemäß an die nachfolgenden Regeln halten, kann der geglückten Rückführung des Maibaums in seine Heimatgemeinde nichts mehr im Wege stehen und alle Beteiligten werden mit einem fröhlichen Fest belohnt.

Hr. Andreas Faltermaier hat in der Ausgabe des Erdinger Anzeiger vom 16.4.2004 die ungeschriebenen Regeln zusammengefasst:

  1. Diebe, die noch innerhalb der Dorfgrenzen beim Abtransport überrascht werden, müssen ihre Beute zurückgeben.
  2. Vereine oder Gruppen aus dem eigenen Dorf sind von dem Vergnügen des Maibaum stehlens ausgeschlossen
  3. Gewalt gegenüber Bewachern und Dieben darf auf keinen Fall angewendet werden
  4. Wenn ein Bewacher bzw. Bewacherin die Hand auf den Baum legt, ist dieser praktisch gegen Diebstahl gesichert.
  5. Der Baum darf weder zersägt noch anderweitig beschädigt werden.
  6. Diebesgut ist immer nur der Baum nicht das Zubehör wie Kränze, Tafeln Fahnen usw.
  7. Ein Baum darf erst gestohlen werden, wenn er innerhalb des Dorfes aufbewahrt wird.
  8. Aufgestellte Bäume dürfen ab dem 1. Mai nicht mehr gestohlen werden
  9. Der Baum darf nur heimlich und unentdeckt entwendet werden. Je raffinierter die List desto besser
  10. Nach dem gelungenen Diebstahl haben Verhandlungen über die Ablöse stattzufinden.
  11. Nach Einigung hat der Baum unversehrt zurückgebracht zu werden.
  12. Grundsätzlich gilt: Das Stehlen soll so gehandhabt werden, dass weder Polizei noch Gerichte benötigt werden.

Es wäre schön, wenn diese Brauchtum nicht in vergessenheit geraten würde und sich immer genügend Liebhaber finden um es Jahr für Jahr in den einzelnen Gemeinden zu Leben. Denn so unverständlich dieser Brauch für viele "Nicht-Bayern" ist, so sehr sorgt er doch für eine gelebte Gemeinschaft sei es nun im Verein oder in einer Gemeinde.

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© Eichinger Josef